Um es vorwegzunehmen. Das was ich beschreibe, ändert sich gerade im Moment, zumindest teilweise. Aber vielleicht ist eben das der Grund, dass ich darüber schreibe. Demjenigen, der als Geschäftreisender nur für kurze Zeit nach Baku kommt, wird es vielleicht nicht auffallen. Wer jedoch länger hier lebt, dem wird bewusst, wie schwer es ist, sich in Aserbaidschan zu orientieren. Straßenschilder, Hausnummern oder Wegweisertafeln sind ungefähr so selten wie Eisdielen oder Fahrradfahrer. Auch der Straßenverkehr weist einige Besonderheiten auf, die es zu beachten gilt. 

Es tut sich was

In der Tat, es werden Wegweisertafeln mit Kilometerangaben errichtet. Offenbar ist dem Transportminster aufgegangen, dass es sich bei Informationen, die sich üblicherweise auf solchen Tafeln befinden, nicht um Staatsgeheimnisse handelt. Will ich in Baku zum Beispiel den Flughafen oder eine größere Stadt in Aserbaidschan mit dem Auto erreichen, so ist dies heute wesentlich einfacher als noch vor drei Jahren. Nachteil dieser ohne Zweifel positiven Veränderung, der Kontakt zur Bevölkerung nimmt ab. Zur Orientierung bin ich heute weniger als früher auf an der Straße stehende Taxifahrer oder mit ihrer Herde die Landstraße überquerende Hirten angewiesen. Und noch ein Tip. Nicht ablenken lassen durch die zahlreichen Heydar-Aliyev-Plakate, die in der Regel größer sind als jeder Wegweiser.

 Im Detail bleibt es schwierig

Versuche ich jedoch ein bestimmtes Haus anhand einer Adresse zu finden, so gleicht dies oftmals einem Orientierungslauf, insbesondere wenn es sich um eine Nebenstraße handelt. Straßenschilder und Hausnummern sind weitestgehend unbekannt. So sie denn existieren, stammen sie entweder aus Zeiten der Sowjetunion oder der Hausbesitzer ist in besonderem Maße ordnungsliebend. Was die Angelegenheit zusätzlich erschwert, sind die ständig wechselnden Straßennamen. Dies gilt auch für meine eigene Adresse. Bis jetzt ist mir nicht klar, ob ich in der 4. Bergstraße, in der Elmira-Alieva-Straße oder in der Zahid-Bagirov-Straße wohne. Ein örtlicher Polizeibeamter gab mir den Tip, die alte sowjetische Bezeichung 4. Bergstraße zu verwenden. Die würde auch in 10 Jahren noch jeder kennen.

An der Ampel

 Was das Verhalten der Verkehrsteilnehmer angeht, so ist am frappierendsten das Verhalten an Ampeln. Ist eine Ampel auf Rot, so fährt der Fahrer des vordersten Wagen üblicherweise so weit vor, dass er die Ampel nicht mehr einsehen kann. Springt die Ampel nun auf Grün, so erhält er die Information darüber erst durch Hupsinganle seiner Hintermänner. Entsprechende Verzögerungen im Verkehrsfluß sind die Folge. Erklären läßt sich dieses Verhalten übrigens dadurch, dass in der Vergangenheit die Ampeln auf der anderen Seite der Kreuzung angebracht waren. Der weiße Haltebalken ist also für viele Fahrer schlichtweg nicht existent. Und noch ein Hinweis. Befindet sich bei trockenem Wetter aus welchen Gründen auch immer Wasser auf der Straße, so versucht der durchschnittliche aserbaidschanische Autofahrer, diesem Wasser auszuweichen. Deshalb sollte man jederzeit auf plötzliche Spurwechsel gefasst sein.

 Bauliche Maßnahmen

 Der Straßenzustand ist allgemein schlecht, inzwischen wird allerdings einiges repariert. Die Qualität so mancher Reparatur ist jedoch zweifelhaft, was an den besonderen Beziehungen der jeweiligen Baufirma zur Verwaltung liegen mag. Was es in jedem Fall zu beachten gilt, ist der jeweilige aktuelle Straßenzustand. Offensichtlich gefährliche Mängel werden üblicherweise zunächst nur behelfsmäßig gesichert. Bis zu einer wirklichen Reparatur kann es Monate dauern. Nicht ungefährlich sind auch Lkws, die die teilweise steilen Straßen in Baku emporklettern. Über der Straße befindliche Balken, die die Zufahrt von Lkws verhindern sollen, werden oft bereits kurz nach ihrer Installation illegal demontiert. Bei der Sisyphusarbeit der permanenten Reparatur dieser Balken muss es sich um eine besondere Art von Arbeitsbeschaffungsmaßnahme handeln.

 Fazit

Zusammengefaßt, Bakus Straßen sind ein lebendiges Chaos mit Potential zu mehr Ordnung. Sich darin zu bewegen, erfordert ein gewisses Vertrauen, wahlweise in die eigenen Fähigkeiten oder die Fähigkeiten eines Fahrers oder anderen Begleiters. Dem unbedarften Europäer weitgehend unbekannte, aktive Kommunikation im Straßenverkehr, sei es es verbal, per Handzeichen oder mit Licht- und sonstigen Hupen, ist unerlässlich, um schnell und sicher ans Ziel zu gelangen.